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Datenschutz

Pay-or-Consent: Das Ende der kostenlosen Privatsphäre?

Privatsphäre oder Bezahlung? Das Pay-or-Consent-Modell großer Plattformen ist keine Wahlfreiheit, sondern digitale Klassenteilung. Eine kritische Analyse.

Dennis Becker
12/8/2025
4
Min. Lesedauer

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat uns die allgegenwärtigen Cookie-Banner beschert. Obwohl sie oft als nervig empfunden werden, dienen sie einem wichtigen Zweck: der informationellen Selbstbestimmung.

Vorweg: Dabei gäbe es längst bessere Alternativen zu Cookie-Bannern. Technologien wie der Global Privacy Control (GPC) – idealerweise als europäische Open-Source-Variante (#buyEU) – sollten meiner Meinung nach zum rechtlichen Standard werden.

Nun verbreitet sich aber eine neue Herangehensweise: Pay-or-Consent. Das klingt zunächst nach Wahlfreiheit, ist aber in Wahrheit ein einfaches „Friss oder stirb“ durch den Anbieter.

Die Idee: Entweder du lässt dich fürs Werbegeschäft ausleuchten, oder du löst ein Abo für „die werbefreie Erfahrung“.

In meinen Augen ist die Frage nicht, ob dies bequem ist, die Frage ist, ob das fair, rechtmäßig und Zukunftstauglich ist. Spoiler: Eigentlich nicht wirklich. Das European Data Protection Board (EDPB) hat diese Praktik für große Plattformen bereits kritisch eingeordnet. Erste Verfahren laufen bereits. Es geht hier um mehr als ein Banner-Design, es ist eine Machtfrage: Wer kontrolliert Daten, den Zugang zu Informationen und zu welchem Preis?

Pay-or-Consent erklärt

Was passiert hier konkret? Dir werden zwei Pfade angeboten:

  1. Kostenfrei, dafür mit personalisiertem Tracking und Anzeigen.
  2. Bezahlt, dafür ohne personalisierte Werbung und oft mit reduziertem Tracking.

Technisch hängt das an der Consent-Abfrage deines Browsers. Sagst du „ja“, feuern Skripte IDs, Cookies, Fingerprinting-Methoden.

Sagst du „nein“, wird der Zugriff blockiert, bis du zahlst oder dein „nein“ in ein „ja“ verwandelst.

Wo findest du sowas? Bei großen Plattformen und Medienmarken. Beispiel: Meta bietet in Europa ein Abomodell für Facebook/Instagram ohne Anzeigen an. Parallel ermitteln EU-Behörden, ob Metas „zahlen oder einwilligen“ mit Wettbewerbs- und Datenschutzrecht harmoniert. Auch große Medienhäuser in Deutschland (z. B. Der Spiegel, FAZ), Frankreich (Le Monde), Spanien und Großbritannien (The Times) setzen zunehmend auf solche Paywalls, die Nutzer vor die Wahl zwischen "Alles akzeptieren" oder einem kostenpflichtigen Abonnement stellen.

Der Unterschied zu klassischen Cookie-Bannern: Früher konntest du ablehnen und weiterlesen. Jetzt hängt hinter dem Ablehnen eine Schranke mit Mautstation. Vor allem wird dies problematisch, wenn Nachrichtenplattformen auf diese Taktik setzen. Ich sage nicht, dass du oder ich ein Recht auf das Lesen des Spiegel haben, ABER je mehr Plattformen so handeln, je schwieriger wird es an Informationen zu gelangen, ohne meine Persönlichkeitsrechte einbüßen zu müssen.

Wenn meine Möglichkeiten zu Ablehnung genügend eingeschränkt werden, dass ich eine vermeintlich freiwillige Zustimmung geben muss, um partizipieren zu können, ist diese Zustimmung nicht mehr freiwillig.

Die Illusion der Freiheit

Die DSGVO akzeptiert eine Einwilligung nur dann, wenn diese auch eine freie Entscheidung darstellt. Das EDPB sagt dazu: Insbesondere bei großen Plattformen ist „Consent-oder-Pay“ meist kein valider Consent, wenn es keine echte, gleichwertige Alternative gibt. Ein „freiwillig“ sieht anders aus, wenn der Zugang zum digitalen öffentlichen Raum an Tracking oder Geld hängt.

Soziale Implikation

Privatsphäre darf keine Premium-Funktion sein!

Wer ein knappes Budget hat, zahlt mit seinen Daten. Wer es sich leisten kann, der zahlt sich raus. Das ist ein digitaler Klassenunterschied: „Privacy für Reiche, Tracking für den Rest.“

Als 2023/24 Meta sein neues Modell eingeführt hat, kritisierte NOYB dies als faktische „Privacy-Gebühr“. Klingt etwas drüber, ist aber absolut richtig: Die monatlichen Beiträge summieren sich langsam zur Jahresabgabe für ein Grundrecht.

Rechtliche Grauzonen

Die Luft ist dünn. Also rechtlich gesehen. Der EuGH hat 2023 die Spielräume für das „berechtigte Interesse“ und „Vertragserfüllung“ bei personalisierter Werbung relativ eng gezogen.

Kurze Version: Tracking zu Werbezwecken braucht in der Regel eine Einwilligung. Ein „Pay-or-OK“ untergräbt genau diese Freiwilligkeit. Parallel dazu das Wettbewerbsrecht: Die EU attestierte Meta Verstöße gegen den DMA (Digital Markets Act) bis November 2024. Diese gesamte Diskussion ist also kein reines Datenschutz-Thema.

Psychologischer Druck

Die Banner sind nicht neutral. Designer investieren Unmengen an Zeit, um durch ein exaktes Gleichgewicht von Farben, Formulierungen und der Gewichtung von Buttons die Nutzer zu beeinflussen. Das erzeugt Dark Patterns die dich in die Richtung des Akzeptieren-Button zu stoßen. Manche Publisher geben offen zu, dass das "No-Cookie-Abo" primär existiert, um die Akzeptanzrate für das Tracking in die Höhe zu treiben. Das ist keine Wahlfreiheit, das ist Choice-Architecture mit Zielvorgabe.

Das Monopol der Privatsphäre

Wenn zentrale Plattformen (u.a. Social Media) und Leitmedien Pay-or-Consent durchziehen, wird Privacy plötzlich ein knappes Gut. Deine Privatsphäre wird bepreist und kontrolliert. Ohne Teilhabe an Berichterstattung und den digitalen Knotenpunkten des sozialen Austausches, bleibst du außenvor. In dieser Welt erfordert deine Teilhabe nun aber das Ablegen deiner Privatsphäre.

Datensparsamkeit sollte die Norm sein, keine Zusatzoption. Sieht auch die DSGVO so.

Praktische Auswirkung: Was heißt das für dich?

Kurzfristig: Du wirst öfter vor der Wahl stehen, deine Daten oder deine Kreditkarte rauszurücken. Mist ist das.

So gehe ich damit um:

  • Privacy-Tools nutzen: Content-Blocker, strenge Browser-Einstellungen, Anti-Tracking-Listen, Privates-Browsing.
  • Bewusste Medienwahl: Konsumiere bevorzugt Inhalte von Anbietern, die Möglichkeiten zur Ablehnung von Tracking bieten, ohne dass du sie bezahlen musst.
  • Nutze dein Widerspruchs- Widerrufsrecht: Einwilligung darf zurückgezogen werden!
  • Meldung von fragwürdigen Praktiken: Du kannst fragwürdige Banner etc. an diene lokale Aufsichtsbehörde melden. Vor allem, wenn das „Ja“ offensichtlich nicht freiwillig ist.

Fazit: Und jetzt?

Pay-or-Consent ist keine echte Wahlfreiheit. Es macht Privatsphäre künstlich knapp und verkauft dir dein eigenes Grundrecht als Zusatzleistung.

Das steht entgegen der Idee des europäischen Datenschutzes: informierte, freiwillige Einwilligung ganz ohne Druck!

Mein Vorschlag: Lehne manipulative Modelle konsequent ab. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals sagt man „Vote with your Wallet!“ und das sollte jeder tun. Wenn du eine Praktik siehst, die dir nicht gefällt, dann gib ihnen kein Geld.

Alternativen nutzen ist kein Allheilmittel und hat seine Grenzen, aber es ist besser als sich einfach zu fügen!

Dennis Becker